Montag, 2. Februar 2009

Berlin übte Humboldt-Forum in der Langen Nacht der Museen - Das Museum für Naturkunde im Zeichen von Kepler, Humboldt und Darwin


Die gesellschaftlich-kulturelle Bedeutung der Langen Nacht der Museen vom 31.1.09 in Berlin am Beispiel des Museums für Naturkunde Berlin.

„Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die Weltanschauung der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben“. Dieser Alexander von Humboldt zugeschriebene Ausspruch lag gleichsam als mahnende Herausforderung über dem Thema der vergangenen Langen Nacht „Weltbilder – Weltsichten“. Wo besser als in einer Langen Nacht der Berliner Museen könnte man sich über Weltbilder und Weltsichten so intensiv kundig machen? Von Berlin bis Neuseeland, vom Urknall in die Steinzeit, von den Ägyptern über die Antike nach Preußen, zum Mauerfall bis heute und morgen. Von der Evolution der Kommunikation bis zu Weltsicht der blinden Mitbürger, von Tierstimmen bis zu Jazzmusik.

Anlässe gab es genug, wie etwa die Jubiläen der großen naturwissenschaftlichen Revolutionen: das Jahr der Astronomie, der 150. Todestag Alexander von Humboldts, der 200. Geburtstag von Charles Darwin. Ins laufende Jahr fallen Geburts- und Todestagsjubiläen großer Künstler, wie Joseph Haydn, Friedrich Schiller und Felix Mendelsohn-Bartholdy sowie gesellschaftlichte Gedenkjahren: UN-Jahr der Aussöhnung, 60 Jahre Bundesrepublik Deutschland und 20 Jahre Mauerfall. Evolution von Weltbildern und Weltsichten also auf allen Ebenen, der Kunst und Kultur, der Naturwissenschaft sowie der Politik und Gesellschaft. Wie selten wurde klar, dass heutige Politik nicht ohne das Wissen über den Ablauf der Geschichte möglich ist, dass sich heutige Kunst, Kultur und Technik aus der Tradition, und gerade deshalb auch oft unter Brüchen weiterentwickelt, und dass Naturwissenschaftliche Weltbilder jeweils auch in einem gesellschaftlich-kulturellen Kontext standen und diesen entscheidend mit geprägt haben. Das Museum für Naturkunde fokussierte naturgemäß auf naturwissenschaftliche Weltbilder, die ja auch immer wieder gesellschaftliche Revolutionen, zumindest aber Evolutionen ausgelöst haben. Evolution in Aktion, das Motto der zentralen Ausstellungen des Naturkundemuseums muss eben auch für Weltbilder gelten. Umso wichtiger, dass wissenschaftliche Ergebnisse auch authentisch und unüberpretiert dargestellt werden, damit aus naturwissenschaftlichen Weltbildern keine dogmatischen Ideologien werden, wie dies der spätere Missbrauch von Darwins Evolutionstheorie für sozialdarwinistische Zwecke ja eindrücklich gezeigt hat. Entsprechend unverkrampft und in lockerer Atmosphäre präsentierte das Museum für Naturkunde die naturwissenschaftlichen Beiträge zu den Weltsichten. Auf dem Raumsofa vom Urknall bis ins Museum. Eine Sicht auf die Welt vor 150 Millionen Jahren im Sauriersaal bei jurassischem Abendrot mit Jazzmusik des versierten Dinné-Schäfer Duos und mit animierenden Cocktails mit Namen wie Darwins Inspiration oder Tendaguru Nights. In der Ausstellung Menschwerdung auf Du und Du mit unseren Verwandten Lucy und dem Neanderthaler. Vor den denkmalgeschützten Dioramen eine Weltsicht der 20er Jahre auf die Natur, und natürlich vor und hinter den Kulissen Sichten in den Mikrokosmos, die Welt der Tierstimmen, die Spinnereien des Museums, die fleißigen Wortbürokraten der Insektenforscher und vieles mehr. 6133 Besucher genossen diese Sicht der Welt. Insgesamt sahen rund 30.000 Besucher der Langen Nacht, wie wesentlich es ist, dass naturwissenschaftliche, kulturelle, künstlerische, technische und gesellschaftliche Sichtweisen auf die Welt integriert werden müssen und erst gemeinsam eine zukunftsweisende Sicht der Welt zulassen. Die Lange Nacht war in bester ganzheitlicher wissenschaftlicher Tradition eines Alexander von Humboldts und in bester Bildungstradition eines Wilhelm von Humboldts – mit anderen Worten, alle Museen und all ihre Besucher waren in dieser Langen Nacht ein authentisches und zukunftsweisendes Humboldt-Forum.

Reinhold Leinfelder (für das Museum für Naturkunde)

Prof. Dr. Reinhold Leinfelder ist Generaldirektor des Museums für Naturkunde, Vorstandsmitglied des Landesmuseumsverbands Berlin und Vorsitzender des Konsortiums „Deutsche Naturwissenschaftliche Forschungssammlungen e.V.“

(basierend auf einer Pressekonferenz zur Langen Nacht sowie einem Live-Interview während der Langen Nacht für rbb-Radio 1)

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