Samstag, 21. Februar 2009

Die Geschiche der Evolutionstheorie in aller Kürze

Gastbeitrag von Dr. Martina Kölbl-Ebert, Direktorin des Jura-Museums Eichstätt.

Aus der Rede von Frau Dr. Kölbl Ebert zur Vernissage der Ausstellung „Schöpferische Evolution – Charles Darwin zum 200. Geburtstag“ am 12. Februar 2009 im Jura-Museum Eichstätt.


Liebe Freunde und Förderer des Jura-Museums Eichstätt,

heute vor 200. Jahren wurde Charles Darwin geboren, dessen Forschungsarbeiten zur Biologie und Abstammung unser Weltbild ähnlich nachhaltig beeinflusst haben wie etwa Nikolaus Kopernikus. Die Dauerausstellung des Jura-Museums, wie die eines jeden Naturkundemuseums, ist so durchtränkt von Forschungsergebnissen Darwins und seiner Nachfolger, dass sie ohne diese gar nicht denkbar wäre.

Charles Darwin (1809-1882) wollte eigentlich in Edinburgh Medizin studieren, aber die Operationen, die damals noch ohne Narkose durchgeführt werden mussten, entsetzten ihn zutiefst. Der Vater, ein Arzt, schickte Charles daraufhin zum Studium der Theologie nach Cambridge, wo er dann allerdings an zwei anglikanische Geistliche und Professoren geriet, Adam Sedgwick (1785-1873) und John Stevens Henslow (1796-1861), die ihn in seiner Neigung für Naturkunde bestärkten, die damals als Teil der theologischen Ausbildung gelehrt wurde.
Nach dem Abschluss in Cambridge plante Darwin eine Reise zu den Kanarischen Inseln gemeinsam mit einem Freund, um die dortige Geologie, Fauna und Flora kennen zu lernen. Die Vorbereitungen waren weit gediehen; Darwin hatte u a. einen geologischen Crashkurs durch Sedgwick erhalten, als plötzlich und unerwartet der Freund starb und so der Traum von einer exotischen Reise zusammenbrach.
So kehrte Darwin 1831 nach Hause zurück. Derweil war Prof. Henslow gefragt worden, ob er nicht als Gesellschafter von Kapitän FitzRoy an der Schiffreise teilnehmen wollte. Die Besatzung der „Beagle“ hatte den Auftrag die Küsten Patagoniens, Feuerlands, Chiles, Perus sowie einiger pazifischer Inseln zu vermessen und eine Anzahl von Chronometerstationen rings um die Erde einzurichten.
Henslow, frisch verheiratet und mit einem stabilen Job in Cambridge, konnte sich dies jedoch nicht erlauben und reichte die Einladung an Darwin weiter. Die am Ende fünf Jahre dauernde Reise war das wichtigste Ereignis in Darwins Leben. Als Darwin heimkehrte, hatte er Unmengen Material gesammelt, dessen Auswertung ihn sein Leben lang beschäftigte und unter anderem zu seinen berühmten Büchern „Über die Entstehung der Arten“ (1859) und „Die Abstammung des Menschen“ (1871) führte.
Bereits in den späten 1830er Jahren formulierte Darwin seine Ideen zur Evolution und gemeinsamen Abstammung aller Lebewesen, scheute sich jedoch lange Zeit davor, an die Öffentlichkeit zu treten. Hinzu kamen Gesundheitsprobleme, die Darwins gesamtes weiteres Leben überschatten sollten.
Doch es waren keine verlorenen Jahre. Darwin beschäftigte sich mit der Auswertung seiner Reisemitbringsel, er festigte seinen Ruf als Biologe – galt er doch ursprünglich als Geologe – indem er ein umfangreiches Grundlagenwerk über Seepocken schrieb und er sammelte unzählige Indizien zur Veränderlichkeit von Arten.
Geplant hatte Darwin ein mehrbändiges Werk zur Evolution, politisch schien ihm die Zeit jedoch nie richtig reif. 1858 schließlich erhielt Darwin einen Brief von Alfred Russel Wallace, Forschungsreisender in Malaysia, der Darwin mit Vogelpräparaten für seine Untersuchungen versorgt hatte. Dieser Brief enthielt die Skizze einer Evolutionstheorie. Zu Darwins nicht gelindem Schrecken war sie nahezu identisch zu seinen eigenen Vorstellungen. Der Geologe Ch. Lyell und der Botaniker J. D. Hooker organisierten die gemeinsame Vorstellung der Theorie von Darwin und Wallace am 1. Juli 1858 bei einer Sondersitzung der Linnean Society in London.
Darwin begann daraufhin mit der Arbeit an seinem Buch über die Entstehung der Arten. Wallace hingegen fuhr mit seinen Forschungsreisen fort und publizierte über Biogeographie.
Darwins Buch wurde nicht nur ein Bestseller sondern eines der einflussreichsten naturwissenschaftlichen Bücher aller Zeiten. Dennoch brauchte es Zeit, bis sich Darwins Ideen durchsetzten. Innerhalb weniger Jahrzehnte hatten die meisten Naturwissenschaftler die Realität von Evolution und gemeinsamer Abstammung der Arten akzeptiert. Der Mechanismus der natürlichen Auslese hatte es jedoch viel schwerer. Erst die Entdeckung der Gene und ihrer Mutationen im 20. Jahrhundert machte Natürliche Auslese nicht nur zu einer attraktiven sondern zu einer unvermeidbaren Erklärung.

Weder war Charles Darwin (1809-1882) der erste, der über das Phänomen Evolution nachdachte, noch war mit seinem Buch „Über die Entstehung der Arten“ (1859) das Thema erledigt.
Zu Darwins Quellen gehören die vielen Naturforscher, die seit der Renaissance gelernt hatten, überprüfbares Wissen über Anatomie, die Vielfalt der Lebewesen und die Entwicklungsgeschichte der Erde zusammenzutragen; Wissen, auf das Darwin im 19. Jahrhundert zurückgreifen konnte. Die Paläontologie etwa hatte gezeigt, dass die Lebewelt der Erde über die Jahrmillionen hinweg keine Konstante ist, sondern dass Tier- und Pflanzenformen im Laufe der Erdgeschichte einerseits neu auftraten und andererseits ausstarben.
Einer der ersten, von dem wir wissen, dass er konkrete evolutionäre Gedanken äußerte, war der Comte de Buffon (1707-1788). Wie zahlreiche andere Philosophen der Aufklärung nahm er eine spontane Lebensentstehung aus unorganischer Materie an. Die so entstandenen Lebewesen sollten sich durch Wanderbewegungen ihrer jeweils neuen Umgebung anpassen.
Um 1809 formulierte der sehr viel berühmtere Chevalier de Lamarck (1744-1829) seine Vorstellung von Evolution. Er ging davon aus, dass spontan entstehende primitive Lebensformen im Laufe der Zeit zu komplexeren Formen fortschritten. Er schlug vor, dass sich Körperteile durch Gebrauch und bewusstes Streben vergrößerten oder stärkten, während andere, ungenutzte verkümmerten. Diese veränderten Merkmale sollten sich an die Nachkommen vererben. Lamarcks Vorstellungen parallel verlaufender Entwicklungsreihen blieben bis ins 20. Jahrhundert populär, weil man erst danach zu verstehen begann, wie Vererbung funktioniert.
Als Darwin im Jahr 1859 mit seinem Buch die Biologie revolutionierte, geschah das also nicht aus heiterem Himmel. Vieles vom Rohmaterial für Darwins Theorie war bereits bekannt. Darwins Verdienst war es, zu zeigen, wie alle diese Hinweise die Evolution der Arten aus einem gemeinsamen Vorfahren nahe legten, das Bild des Stammbaums der Wirklichkeit also näher kam als Larmarcks Vorstellungen, und mit der Natürlichen Auslese einen plausiblen Mechanismus vorzuschlagen, der zur Evolution des Lebens führte und führt.
Was die Natürliche Auslese betraf, so hatten sich Darwin wie auch Wallace durch ein bevölkerungspolitisches Buch des anglikanischen Geistlichen Thomas Malthus (1766-1834) inspirieren lassen. Darin warnte Malthus vor einer Bevölkerungsexplosion durch zu zahlreiche Nachkommenschaft. Malthus wies darauf hin, dass es keine Chance gäbe, die landwirtschaftliche Produktion in ähnlichem Maße zu steigern, und dass die Menschen daher um die begrenzten Ressourcen konkurrieren müssten.
Während Darwin einen praktikablen Mechanismus für die beobachtete Evolution vorschlagen konnte, wusste er nicht, warum Nachkommen nicht einfach Kopien ihrer Eltern sind und wie veränderliche Merkmale an die nächste Generation weitergegeben werden konnten.
Erst im späten 19. Jahrhundert wurde der Zellkern entdeckt, der anfärbbare Strukturen enthielt. Diese „Chromosomen“, erkannte man um 1900, waren Träger der Erbsubstanz. Je ein halber Chromosomensatz bekamen die Nachkommen von Vater und Mutter. In dieselbe Zeit fällt die Wiederentdeckung der Mendelschen Regeln, die im Licht der neuen Erkenntnis interpretiert werden konnten. Thomas H. Morgan (1866-1945) entdeckte, wie Erbsubstanz durch äußere Einflüsse wie Röntgenstrahlung etc. mutierte und sich dabei einzelne Merkmale der Tiere änderten. So erkannte er, dass Merkmale durch bestimmte „Gene“ gesteuert wurden.
Etwa zur selben Zeit entwickelten Ronald Fisher (1890-1962), John B. S. Haldane (1892-1964) und Sewall Wright (1889-1988) mathematische Modelle, um die Ausbreitung von Merkmalen in ganzen Populationen zu beschreiben. Es gelang ihnen um 1924 zu zeigen, dass Evolution durch zufällige Mutationen und anschließende Auslese möglich war, ohne die Hilfe imaginärer treibender Kräfte wie sie Lamarck vorgeschlagen hatte.
Der nächste Schritt auf dem Weg zur modernen Synthese der Evolutionstheorie mit der Genetik war die Beantwortung der Frage, was Arten genetisch gesehen sind und wie sie entstehen. In den 1920er Jahren hatten Biologen noch angenommen, dass alle Mitglieder einer Art dieselben Gene besäßen. Theodosius Dobzhansky (1900-1975) entdeckte, dass sich verschiedene Wildpopulationen einer Fruchtfliegenart genetisch teils beträchtlich unterschieden, weil sie nicht im sexuellen Austausch miteinander stehen.
Ernst Mayr (1904-2005) kartierte derweil die Verbreitung von Paradiesvögeln in Südostasien, was sich als unbefriedigend erwies. Mayr erkannte, dass die Schwierigkeit, seine Vögel in „Schubladen“ zu sortieren eine Folge aktuell stattfindender Evolution und Artentstehung war. Variationen bildeten sich in unterschiedlichen Regionen des Verbreitungsgebietes, aber da die Populationen nicht voneinander isoliert waren, bildeten sie ein breites Kontinuum von Formen. 1942 argumentierte Mayr, dass geographische Isolation der wichtigste Faktor der Artentstehung sei. Dies gilt bis heute, auch wenn man mittlerweile weitere Faktoren kennt.
1953 gelang es Francis Crick (1916-2004) und James Watson (*1928) die Struktur der DNA zu entschlüsseln. Damit war erstmals klar, was eine Mutation konkret bedeutete. Nun konnte man auch Verwandtschaftsverhältnisse von Tier- und Pflanzenarten bestimmen, indem man direkt ihrer Erbanlagen analysierte.
Um 1966 entdeckte Lynn Margulis (*1938), dass neue Strukturen und Arten nicht nur durch Mutationen und natürliche Auslese entstehen konnten, sondern dass Zellorganellen der komplexen eukaryoten Zellen – Mitochondrien und Chloroplasten – ursprünglich selbständige Bakterien waren, die mit der Zelle in Symbiose leben.
Stephen Jay Gould (1941-2002) wies 1977 darauf hin, dass geringe Mutationen in Reglergene, die die Feinabstimmung der Embryonalentwicklung regeln, dramatische Auswirkungen auf die Gestalt des erwachsenen Organismus haben. Seither sind zahlreiche Reglergene identifiziert und ihre Wirkung untersucht worden. Insbesondere Christiane Nüsslein-Volhard (*1942) und Eric Frank Wieschaus (*1947) untersuchten Gene, welche im Ei von Fruchtfliegen die Anlage des Körperplans steuern. Sie entwickelten die Gradiententheorie, die darstellt, wie durch Stoffgradienten in der Eizelle und im Embryo die Aktivierung von Genen gesteuert wird, und zeigten Parallelen in der Embryonalentwicklung zwischen Insekten und Wirbeltieren auf.
Die Weiterentwicklung der Evolutionstheorie ist damit aber keineswegs abgeschlossen. Diese fortdauernde Forschung belegt die Nützlichkeit der Theorie, die erlaubt immer neue Fragen über das Was und Wie der Natur zu entwickeln und nach Antworten auf diese Fragen zu suchen.

Vielen Dank an Frau Dr. Kölbl-Ebert für diesen Gastbeitrag!

PS: zum zweiten Teil der Rede

Ausstellung „Schöpferische Evolution – Charles Darwin zum 200. Geburtstag“ vom 13.2.2009 - 10.1.2010 im Jura-Museum Eichstätt. Das Museum gehört zu den "Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns", diese sind Mitglied im Konsortium der "Deutschen Naturwissenschaftlichen Forschungssammlungen, DNFS.
Weitere Informationen zur Ausstellung

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